...und sind wir nicht alle niedrige Jäger
und Sammler?? In diesem Jahr ging es um den Polarkreis, jenen
– an und für sich vollkommen bedeutungslosen - exakt
auf 66 °, 50 Minuten nördlicher Breite liegenden Magneten,
der die Gemeinschaft der Heldentour anzog wie der Magnet das
Eisen. Somit ging es ...in den Norden auf jeden Fall! Wie immer
sollte es eine Herausforderung werden, den Polarkreis wollten
WIR ALLE mal besuchen... nehmen wir doch NORGE - Norwegen.
Das Land der Trolle und Elfen, der Mitternachtssonne, der wilden
Landschaften, der tausend Fjorde, der Natur pur... wir hatten
schon ein ganz bestimmtes Bild und eine sehr genaue Vorstellung
von DEM was wir erwarteten... und wir wurdenbei Leibe NICHT
ENTTÄUSCHT.
Vierzehn Tage lang sollte die Reise gehen und HW, Börni,
Dieter, Tom Nick (das bin ich), und Tom Schulz brachen am 20.05.1994
auf Richtung Norden, das N auf unserem Kompass sollte uns für
diese Reise die Richtung vorgeben.
Von Hirtshals (Dänemark) setzten wir
mit einer Fähre der Colour Line über nach Norwegen
und landeten in Kristiansand. Die Mopeds, die wir bis dahin
mit Transporter und Anhänger vorangeschafft hatten, wurden
schnell reisefertig gemacht. Und los ging es, das Abenteuer
NORWEGEN rief uns lauthals entgegen: Snör braden gues
net kummen dörg! (was aus NICHT wohl informierten Kreisen
so viel heissen sollte wie: Nun fangt endlich an; ihr germanischen
Weicheier UNS Nordland zu „erfahren“!
Nur auf Nebenstraßen ging es zunächst
entlang der malerischen Küste. Vom Golfstrom verwöhnt
zeigt sich diese bereits im sattesten Grün – immerhin
ist es erst Mitte Mai und wir sind ja immerhin schon auf der
geografischen Breite von Schottland! Wohl denen, die KEINE
sich alljährlich wiederholende, allergische Reaktionen
auf Apfelblüte u.ä. an sich feststellen müssen,
schade um diejenigen von uns, die sich die Seele aus dem Leib
rotzen.
Doch kaum verließen wir diesen Küstenstreifen und
zogen landeinwärts, türmten sich an beiden Seiten
der kleineren Bergstraßen die Schneeberge. Zunächst
nur wenige Zentimeter hoch, dann bis zu einem Meter und schließlich
auf 700 Meter üNN (von Sirdaal nach Lysebotn). Auf einer
für den öffentlichen Straßenverkehr gesperrten
Strecke hatte man das Gefühl, sich durch einen Eistunnel
zu bewegen. Bob Deutschland I – V rollten und rutschten
entlang der bis zu 4 Meter (!) hohen Schnee- und Eiswände.
Den Gipfel erreichten wir dann doch nicht ganz... aber auf
932 Meter hatten wir eine megageniale Aussicht über die
verschneiten und vereisten Bergwelten Südnorwegens. Leider
verhinderte die – in ihrer Länge und Höhe
- nicht absehbare Schneeverwehung exakt entlang unserer Streckenführung
ein Weiterkommen. Einen ersten Eindruck dieser fantastischen
Landschaft konnten wir schon in uns aufsaugen, und unseren
infantilen Neigungen durch Rutschpartien auf unseren blanken
Lederhosenärsch... und Schneeball-schlachten freien Lauf
lassen.
Eines DER Highlights dieser Reise –
vielleicht ALLER Heldentouren überhaupt – war am
Tag danach der Aufstieg zum Preikestolen, dem „Predigerstuhl“
am Nordufer des Lysefjords.
Die Mopeds mussten wir zurücklassen, und nur mit Schlafsack,
Isomatte und ein paar Getränken gerüstet, zogen
wir über Geröllfelder, Moorlandschaft und Bergwanderpfade
in unserer nicht ganz so bergsteigergeeigneten Motorradkluft
zur Nachtruhe auf diesen knapp 20 x 30 Meter großen,
600 Meter steil in den Lysefjord abfallenden Felsvorsprung.
Nichts für schwache Nerven, und falls man tatsächlich
dort auf dem blanken Fels übernachten möchte, nichts
für unruhige Schläfer. Der Sonnenuntergang, die
Nacht unter DIESEM freien Himmel und die unbeschreibliche
Szenerie eines der schönsten Sonnenaufgänge die
ICH je gesehen habe... ein unsterbliches Gefühl!!!
Die ersten Wanderer die uns auf unserem Abstieg am nächsten
Morgen entgegenkamen, schauten uns nur unglaubwürdig
an. Motorradklamotten, Schlafsäcke, Isomatten, auf dem
Abstieg... die müssen einfach spinnen! Oder macht Motorradfahren
tatsächlich doof?
Auf jeden Fall ging es weiter Richtung Norden
nach Bergen, einer alten Hansestadt. Auf dem Weg dorthin überquerten
wir einen der beeindruckensten Fjorde Norwegens, den Hardangerfjord.
Bei tollem Wetter und fast sommerlichen Temperaturen, spiegelte
sich das Panorama der schneebedeckten Fjordflanken im türkisgrünen,
eiskalten Wasser dieses Meeresarmes.
Bergen, eine geglückte Mischung aus Historie und Moderne,
beeindruckte uns mit seinem fantastisch herausgeputzen historischen
Hafen- und Handelsviertel (Bryggen) und einer, bereits jetzt
für uns ungewohnten „Stadt“-Hektik (schließlich
gab es deutlich mehr als 5 Verkehrsampeln!) Trotzdem eine
sehr schnuckelige Stadt an der Westküste Norwegens...
muß man besuchen!
...und trotzdem waren wir froh, weiter nach
Norden zu kommen, die Straßen wurden wieder enger, der
Verkehr ließ deutlich nach und immer wieder gab es unglaublich
schöne Einblicke in versteckte, eiszeitliche U- und/oder
V-Täler, auf schneebedeckte Gipfel und in unzählige,
wild verzweigte, untereinander verbundene Fjorde, die Adern
dieses Landes.
Über den Sognefjord ging es zum Jostedalsbreen,
der Zone des ewigen Eises, der Landschaft der mächtigen
Gletscher, einer mit Namen Nigardsbreen... Unglaublich: mächtig
und blau liegt er vor einem, uralt und zum greifen nah „fließt“
er das Tal lang. Wir sind echt beeindruckt, alleine mit dieser
Naturgewalt (wie klein und unbedeutend wir Menschenkinder
doch tatsächlich sind), keine weiteren Touristen, tolle
Photomotive und tausend Sonnen am Himmel, danke!
Wieder bergab, innerhalb weniger Minuten von den Eiswelten
in die sattgrünen Ufer der Fjorde (ja, ja der Golfstrom),
und wieder bergauf nach Stryn, dem Ganzjahresskigebiet. Warum
auch nicht: Mopeds abgestellt, Skier gemietet und dann...
Wer ist schon Hermann Meier!? Haben wir überhaupt deutsche
Ski-Stars?
Pain is temporrary but glory is for ever, also zügig
bergab und immer cool bleiben, uncool nur wenn man bei allzu
zügiger Abfahrt seinen Zündschlüssel irgendwo
auf der Abfahrt verloren hat. Schade, Dieter!
Der Vorzeigefjord und DAS Fotomotiv ALLER
Norwegen-Reiseführer: der Geirangerfjord, unser nächstes
Ziel, ist einer der vielen Punkte wo wir verweilen, genießen,
in uns aufsaugen.
Schon folgt der Trollstigen, der mystische Aufstieg in die
Urzeiten nordischer Göttersagen, leider bei schlechtem
Wetter, optische Reizüberflutung trotzdem. Wir überfahren
die Grenze nach Nordnorwegen und fahren immer weiter Richtung
Mitternachtssonne. Trondheim lassen wir schnell hinter uns,
der Polarkreis zieht uns an wie ein Magnet das Metall. Auf
der – entgegen der Reiseliteratur – überhaupt
nicht langweiligen oder zur Autobahn mutierten E6 folgen wir
dem N unseres Kompasses. Es wird deutlich kälter und
wir sind froh wenn wir für die Übernachtung „Hüttas“
finden, bewirtschaftete Holzhütten mit Ofen, zum Glück
aber ohne weiteren Luxus – sind ja NICHT auf einer Schmuseluxusweicheiertour
;-). Zwei Tage später haben wir den nördlichsten
Punkt unserer Reise erreicht, genau auf 66°33’ liegt
er, der Polarkreis! Haben wir dort hundert, zweihundert oder
noch mehr Bilder geschossen, keine Ahnung...
So oder so, es wahr ein besonderer Punkt,
ein ganz spezieller Ort... Etwas Ablenkung und das groß“städtische“
Flair von Mo i Rana mit seinen wenigen tausend Einwohnern
ließ uns den Samstag Abend in dieser südlich des
Polarkreises liegenden Kleinstadt verbringen.
„Fein herausgeputzt“ waren wir am späten
Nachmittag im Städtchen, die Sonne schien. Bekanntschaft
geschlossen mit Söhnen ehemaliger Norwegerinnen/deutsche
Landser –Verbindungen ( für Insider: Mein Vater
war in der Junkerschule von Bad Tölz..., ja ja!), die
Sonne schien auch dann noch. Von der Kneipe in die Disco,
es war vielleicht 23.00 h (Vorhänge sorgten für
einigermaßen nächtliche Stimmung, denn...), die
Sonne schien weiter und kümmerte sich wenig um die stetig
fortschreitenden Stunden. Um 02.30 h aus der Disco heraus,
auch wenn die Wikingerbräute einen kaum ziehen lassen
wollten (bei soviel Tageslicht scheinen auch der Biorythmus
und die Lebenslust KEINE Pause zu kennen), aber die Sonne
schien schon wieder und die Sonnebrille musste raus. Toll
das mit der Mitternachtssonne, echt. (Anm. des Verfassers:
nur Sch..., dass ein halbes Jahr später die Sonne sich
überhaupt nicht blicken lässt und die Selbstmordrate
einen astronomischen Wert erzielt).
Tagsdrauf ging es nicht nur psychologisch
gesehen wieder heimwärts, Richtung Süden. Schnell
kommen wir vorwärts. Trondheim statten wir nur noch einen
kurzen Besuch ab, planen noch eine Rafting-Tour bei Heidal
ein. Über Lillehammer geht es weiter Richtung Oslo, noch
DAS nordische Sport-Zentrum, den „Holmenkollen“
besichtigt, die in natura unglaublich steilen und hohen Sprungschanzen
bewundert...
Norwegen war toll! Wir werden auch hierher
mit Sicherheit noch einmal reisen, die Einsamkeit und Ruhe
genießen, abseits der bekannten Touristenpfade wandeln.
Landschaftlich kann diesem Land kaum ein anderes wirklich
Paroli bieten, leider – aus unserer Sicht – geizt
Norwegen ein wenig mit kulturellen oder geschichtlichen Reizen,
macht aber nichts.
Danke, Norge, dass DU UNS ein tolles Gastland warst, dass
Du uns Deine Geheimnisse anvertraut hast und uns Einblick
in Deine Seele gewährt hast...
Tom Nick
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